Bei diesem Zettel geht einem doch sofort das Herz auf, oder? Jeder, der sich auch nur einen Rest Empathie bewahrt hat, spürt sofort: Hier hat jemand schlimme Erfahrungen gemacht. Und zwar nicht (nur) mit Leuten, die ihr Fahrrad abstellen, sondern vor allem mit denen, die dann darüber diskutieren wollen: „Ich habe mein Fahrrad gar nicht abgestellt, ich habe es angelehnt.“ – „Ich habe mein Fahrrad gar nicht abgestellt, ich habe es angeschlossen.“
Selbstverfasste Zettel sind immer der letzte Versuch. Wenn das Gesetz mit Füßen getreten wird, wenn der Staat versagt und sogar der Hausmeister sich abwendet, dann kommt die Stunde des mit der Hand geschriebenen oder am heimischen Computer ausgedruckten Zettels: Als verzweifelter Hilfeschrei eines von allen Verlassenen, als flehentlicher Appell an den gesunden Menschenverstand, als ein allerletzter Versuch, die Ignoranten zu überzeugen: Bitte keinen Abfall in die Altpapiertonne. Bitte kein Plastik in die Biotonne. Bitte nicht die Tauben füttern. Bitte die Haustür geschlossen halten. Bitte keine Fahrräder in die Fluchtwege. Ihr könnt das doch auch nicht wollen. Warum versteht ihr das nicht?
Ich hatte bisher immer völlig selbstverständlich angenommen, dass es mindestens eine Magisterarbeit zur Kulturgeschichte dieser Art von Zetteln gibt, über ihren erzieherischen Wert und über ihre Erfolgsquote – irgendjemand wird sich doch schon mal damit auseinandergesetzt haben! Aber: Da ist NICHTS. Dann schreibe ich diese Arbeit doch mal eben in aller Kürze selbst: Ich habe schlimme Neuigkeiten. Ignoranten kann man nicht erreichen. Gar nicht. Nie. Auch nicht und schon gar nicht mit handgeschriebenen Zetteln.
Man kann sich nur vornehmen, sie zu überleben.