Wenn irgendwo „kleine Schätze“ steht, dann weiß man: Hier will jemand seinen Ramsch loswerden. Dabei handelt es sich bei kleinen Schätzen in der Regel um Dinge, die man im besten Fall verschenken sollte. Aber selbst das gestaltet sich manchmal schwierig. Da bleibt nur, sie Menschen aufs Auge drücken, die entweder zu höflich sind oder sich aus anderen Gründen nicht trauen, das Geschenk abzulehnen. Selbst karikative Einrichtungen sind heutzutage selbstbewusst genug, bei kleinen Schätzen lässig abzuwinken. Manche Leute stellen ihren Kram dann auf die Straße. In der Regel fängt es direkt danach an zu regnen, der Sturm schnappt sich „Super Me: In zehn Wochen zum Wunschgewicht“ und trägt es in den übernächsten Garten, wo es nach zwei Tagen völlig durchgeweicht vom Nachbarn aufgelesen und mit spitzen Fingern zum Müll getragen wird.
Dabei lässt sich im Internet heute für fast alles ein Käufer finden. Die Anzahl der Leute, die gerade ihre Wohnung ausmisten, scheint in etwa immer genauso groß zu sein wie die Anzahl derjenigen, die gerade ihre Wohnung vollstellen – eine Art natürliches Gleichgewicht. Wenn der Staat mal wieder wissen möchte, wie es den Deutschen geht, wie es um ihre Schreib- und Lesefähigkeit steht, wie ausgeprägt ihre Sozialkompetenz ist, ob sie mit den gängigen Höflichkeitsregeln vertraut sind und diese anwenden können oder ob sie die Grundlagen des freien Handels verstanden haben, dann sollte er einfach mal im Internet ein zwölf Jahre altes Ikearegal anbieten. Näher kann man der Seele des Volkes nicht kommen. Für den Fall, dass die Exekutive mich in dieser Angelegenheit um Rat bitten sollte, habe ich hier schon mal was vorbereitet:
- Ich persönlich warte mit meinen Kleinanzeigen immer auf eine Phase in meinem Leben, in der es im Job richtig gut läuft, die Beziehung stimmt, die Nachbarskinder im Ferienlager sind, die Brut- und Setzzeit vorbei ist und in den USA nicht gewählt wird. Denn: Als Verkäuferin braucht man eiserne Nerven und eine Menge Humor. Außerdem nehme ich mir immer ein paar Tage frei. Auf einigen dieser Verkaufsplattformen wird nämlich gemessen, wie schnell man antwortet – andere Nutzer können einen bewerten, und glauben Sie mir: Dort werden keine Gefangenen genommen! Sie antworten erst abends, weil Sie tagsüber einen Impfstoff entwickelt haben? Vergessen Sie’s.
- Die Kleinanzeigenplattform rät dazu, das annoncierte Gut möglichst präzise zu beschreiben. Nach meiner Erfahrung ist es egal, was Sie schreiben: Wenn Sie eine weiße Kommode verkaufen wollen, die Farbe sowohl in der Überschrift als auch zweimal im Text erwähnen und außerdem vier Fotos zeigen, auf denen eine weiße Kommode zu sehen ist, fragen trotzdem mindestens dreißig Leute, welche Farbe die Kommode hat. Ich bereite mir deshalb vorher passende Textbausteine in mildem Ton vor, damit ich, falls ich bei der zehnten Frage nach der Farbe die Contenance verliere, mir nicht durch patzige Antworten mein Rating versaue.
- Wer es bisher noch nicht selbst erfahren hat, wird es spätestens jetzt lernen: Das Internet ist nichts für empfindliche Seelen. Dort geht es nicht fair oder gerecht zu, und der Ton ist so rau wie die Haut einer Kreuzkröte. Behandeln Sie jeden so zuvorkommend und unterwürfig wie potenzielle Schwiegereltern beim ersten Treffen, und Sie werden feststellen: Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es selten zurück. Rechnen Sie damit, dass der eine oder andere auf ein „gerade verkauft“ reagieren wird, als hätten Sie seinen Erstgeborenen geraubt. Da heißt es: Aufstehen, das Revers abbürsten und die nächste Anzeige aufgeben.
Viele haben sich ja in Zeiten von Corona und Lockdowns einen neuen Zeitvertreib gesucht. Stricken zum Beispiel. Oder sie versuchen, den letzten in Deutschland noch verfügbaren Hund zu kaufen. Hunde sind in der Coronakrise so begehrt und rar wie Klopapier und Dinkelmehl. Ich dagegen habe mir vorgenommen, die Zeit anders zu nutzen und den Menschen da draußen den Unterschied zwischen VB (Verhandlungsbasis) und FP (Festpreis) beizubringen. Das ist nicht so egoistisch wie ein Hund, wirkt in die Zukunft und dient dem gesamtgesellschaftlichen Frieden.
Sollte ich dafür irgendwann das Bundesverdienstkreuz bekommen, verspreche ich an dieser Stelle feierlich, es hinterher nicht im Internet zu verkaufen.