Sein gesamtes Berufsleben hindurch hegt und pflegt man ja den vagen Verdacht, andere Leute würden ihr Geld irgendwie leichter verdienen als man selbst. Es heißt immer: „Augen auf bei der Berufswahl.“ Da ist viel dran. Doch dummerweise soll man die Entscheidung für einen Beruf zu einer Zeit treffen, in der man nun wirklich andere Sorgen hat. Ich plädiere deshalb immer dafür, das Leben zeitlich umzusortieren. Schule später. Risikosportarten nach hinten. Experimente mit Drogen und Alkohol nach hinten. Weltreisen nach vorne.
Was die Berufswahl angeht, glaube ich jedenfalls, dass man mit Kaffeesatz lesen sein Geld vergleichsweise leicht verdient. Gut, vermutlich muss man verhältnismäßig viel Kaffee oder Mokka trinken. Ob das gesund oder ungesund ist, ändert sich ja dauernd. Aber sicher geht das auch mit entkoffeiniertem Kaffee.
Dann muss man natürlich permanent mit Leuten zusammensitzen, die glauben, man könne die Zukunft aus Mustern vorhersagen, die entstehen, wenn man nassen Kaffeesatz mit dem Finger umrührt und trocknen lässt. Und die dafür bezahlen. Da kann einem die Dauer des Trocknungsprozesses sicher manchmal sehr lang vorkommen. Ich bin unsicher, ob man den Vorgang beschleunigen darf, wenn es allzu arg wird. Trocken föhnen geht ja vermutlich eher nicht, aber was ist mit Mikrowelle oder Backofen (Oberhitze)? Oder ist das unhöflich? Man will ja auch nicht unprofessionell erscheinen.
Und dann hat man sicher auch als Kaffeesatzleser mal einen uninspirierten Tag: Manchmal sieht mit dem Finger umgerührter Kaffeesatz vielleicht einfach aus wie … ja, mit dem Finger umgerührter Kaffeesatz. Ich schätze mal, dann muss man sich irgendwie was … äh … ausdenken.
Hinzu kommt (das habe ich im Internet gelesen), dass von Seiten der Wissenschaft nur ein sehr geringes Interesse an der Erforschung des Kaffeesatzlesens besteht. Auch das schmerzt sicherlich in manch dunkler Nacht.
Was haben wir noch? Eine vergleichsweise schwer planbare Umsatzentwicklung, die teure Berufshaftpflicht, ständig fremde Leute in der Küche … hmm, ich glaube, Kaffeesatzleser haben es dann doch ziemlich schwer.
So ist das mit den Vorurteilen: Sie lösen sich bei näherer Betrachtung zumeist auf.