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Empörung oder Warnung?

Von Dingen, die sich heute nicht mehr erfinden ließen

Wer schreibt mir hier? Hinge der Zettel außen an der Tür, könnte man die Protestnote eines vergrätzten Kunden vermuten. Da der Zettel aber innen angebracht ist, wird es wohl ein Warnhinweis des Ladenbesitzers sein: an all diejenigen, die, kämen sie arglos herein, die Nase rümpfen und fragen würden, ob das denn sein könne; ob Rauchen in Läden denn nicht längst verboten sei…

Rauchen im Büro. Raucherabteile in der Bahn. Rauchen in Restaurants. Rauchende Taxi- und Busfahrer. Das ist alles noch gar nicht soooo lange her. In der kleinen Werbeagentur, in der meine berufliche Laufbahn begann, wurde an fast jedem Arbeitsplatz noch herzhaft eine Schachtel durchgezogen – vor der Mittagspause! Computer gab’s schon, Nichtraucherschutz nicht.

Könnte man heute noch die Zigarette erfinden? Wohl eher nicht. Man stelle sich vor, es kommt jemand um die Ecke und sagt: Hallo, ich hab mir da was ausgedacht, schaut mal: extrem gesundheitsschädlich, führt mittelfristig zu Impotenz, Blindheit und Lungenkrebs, verkürzt euer Leben, macht Falten und süchtig, ist teuer, eure Klamotten stinken nach Waldbrand – und ihr gruselig aus dem Mund. An den Geschmack müsst ihr euch erst mühsam gewöhnen, und ihr werdet immer ein bisschen dämlich aussehen, wenn ihr an so einem Ding saugt… Jemand interessiert? Eben.

So ähnlich verhält es sich vielleicht ja auch mit Pumps. Nehmen wir mal für den Moment an, Schuhe wären noch nicht erfunden, und wir liefen alle barfuß herum. Nun kommt jemand auf die Riesenidee, Füße künftig umhüllen zu wollen. Vieles spricht dafür: Nicht nur heizt der Klimawandel den Asphalt immer mehr auf, während verhornte Füße gleichzeitig an gesellschaftlicher Akzeptanz verlieren und die Partnersuche erschweren – nein, man läuft beschuht auch deutlich unbesorgter und treibt sich die Scherben nicht mehr direkt in den Mittelfußknochen. Und überhaupt: Wer tritt schon gerne barfuß in einen dampfenden Hundehaufen?

Und dann plötzlich diese Erfindung: Bei der öffentlichen, weltweit gestreamten Präsentation des Produkts Schuh werden zwei Prototypen vorgestellt: ein flaches, bequemes Modell für den Mann, höchst funktional, der Ergonomie des Fußes Rechnung tragend, aus weichem, umschmeichelndem, atmungsaktivem Leder (oder einer veganen Alternative); und ein zweites Modell speziell für die Frau: extrem eng, spitz zulaufend an der Stelle, an der die meisten Menschen (auch Frauen) fünf Zehen haben, aus unnachgiebigem Material, mit einer Sohle so glatt wie ein Spiegel und mit einem zwölf Zentimeter hohen Absatz. Begründung: Frauenwaden sähen damit schlanker aus, und die veränderte Beckenstellung betone das Dekolleté so schön! Männer würden das schätzen.

Und ja, die Erfinder geben zu: Diese Art Schuhe verformt die Füße dauerhaft; und so ein Hallux tut natürlich weh. Und eine Bänderdehnung, hmm, ja klar, die ist blöd, die dauert… Aber hey: Wenn Frau wie eine waidwunde Gazelle durchs Leben stakt, weckt das den Beschützerinstinkt im Mann, und das ist doch wieder für beide Seiten schön, oder?

Ich nehme an: Die Frauen dieser Welt würden das Konzept heutzutage einhellig ablehnen. Aber hundertprozentig sicher bin ich mir nicht.