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Von unvergesslichen Frisuren

Wenn man in eine andere Stadt zieht, ist man ja ungefähr ein Jahr damit beschäftigt, sich irgendwie zurechtzufinden und einzurichten: Neuer Job. Wo ist der beste Gitarrenladen. Die gesamte Ärzteriege muss ersetzt werden. Aber das Allerschlimmste ist: Man braucht einen neuen Frisör. Das Frisörgeschäft auf dem Foto wirbt mit Beethoven. Tja, also, wenn ich einen von den großen Komponisten nach einer Frisörempfehlung fragen müsste, dann würde meine Wahl sicher nicht auf Beethoven fallen. Gut, Bach kennt man nur mit Perücke, Händel auch, Schubert hatte Locken – das sind ganz andere Sorgen. Aber was ist mit Brahms? Der sah als junger Mann immer sehr schnieke aus! Erst in späteren Jahren hat er dann – wenn man den Fotos Glauben schenken will – wohl den Kontakt zu seinem Frisör verloren.  

Es heißt ja, dass alles immer schneller wird und sich immer rasanter ändert. Das mag in vielen Fällen so sein, trifft aber nicht auf die Frisurenmode zu. Ich habe Freunde, die ich seit 20 Jahren kenne und die, seit ich sie kenne, den gleichen Haarschnitt haben. Das war in den 80er Jahren nicht möglich. Damals änderte sich die Frisurenmode quasi monatlich. Und jeder neue Trend war tatsächlich schlimmer als der vorherige.

Wenn Frauen in den Fünfzigern sich treffen, tauschen sie sich, sobald sie einen bestimmten Grad der Vertrautheit erreicht haben, über ihre Frisurentraumata aus den 80ern aus. Sie rücken zusammen, es wird gekichert, auch ein bisschen geweint, und irgendwann, zu fortgeschrittener Stunde, spricht die erste flüsternd das eigentlich Unaussprechliche aus: Dauerwelle! In der Regel geht dann ein Wimmern und Stöhnen durch die Runde. Nur unter sehr guten Freundinnen bekommt man auch Fotos zu sehen. Denn hingen wir damals nicht alle zu irgendeinem Zeitpunkt unserer Jugend mit dem Kopf über der Badewanne und versuchten mit Handbrause und viel Apfelshampoo ungeschehen zu machen, was sich nicht ungeschehen machen ließ?

Das Teuflische an einer Dauerwelle waren ja nicht der beißende Geruch des Dauerwellenpräparats, der peinigende Kopfwehattacken auslöste oder der Schmerz beim straffen Einrollen der Wickler, der einen fürchten ließ, die Kopfhaut würde gleich mit aufgerollt. Nein, das wirklich Schlimme an einer Dauerwelle war doch, dass man sie nie mehr loswurde! Denn was ist gruseliger anzusehen als eine frische Dauerwelle? Eine herauswachsende Dauerwelle! Der Beginn eines teuflischen Kreislaufs. Man konnte fortan eigentlich nicht mehr aus dem Haus. Dauerwelle war wie Fußfessel, nur nicht so hübsch anzusehen.

Und jetzt muss ich allerorten lesen: Die Dauerwelle erlebt ein Comeback. Sie heißt jetzt aber nicht mehr Dauerwelle, sondern „Beach Waves“ oder „Perm“ (für „permanent“ – sic!). Ich habe dazu das Zitat einer US-Stylistin im Internet gefunden: „Ich sehe die Perm als eine großartige Möglichkeit, sich selbst auf eine bisher unbekannte Weise zu erleben.“

Also, wenn ich mich auf eine bisher unbekannte Weise erleben möchte, gehe ich mich mit meinem Gitarristen betrinken. Todsichere Methode. Und dieses Drama – ist nach 24 Stunden vollständig überstanden.